We use cookies to make this website more userfriendly (more information).

Articles

Sermons in German


The parable of the scoundrel, Mt. 18.21-35

Das Gleichnis vom Schalksknecht, Mth. 18,21-35

Predigt am Sonntag, dem 8. Februar 2015
Braunschweiger Friedenskirche
www.bs-friedenskirche.de

Dr. Werner Gitt, Braunschweig
www.wernergitt.de

Hinweis: Der folgende Text ist eine ausführlichere Fassung als die tatsächlich gehaltene Predigt, die unter www.bs-friedenskirche.de/medien/predigt-online gehört werden kann.

Vergebung grenzenlos!?
Das Gleichnis vom Schalksknecht
Matthäus 18,21-35

Inhaltsverzeichnis

1. Das Gleichnis vom Schalksknecht (Bibeltext)

2. Eine außergewöhnliche Geschichte mit rigorosem Ausgang?

3. Hauptthema der Gleichnisse

4. Hintergrundinformationen zu dem Gleichnis

5. Die Schuldenhöhe

6. Was ist die Voraussetzung für den Zugang zum Himmel?

7. Wie viel Vergebung ist bei Gott möglich?

8. Zurück zum Gleichnis

9. Was will uns Gott mit diesem Gleichnis sagen?

VERGEBUNG GRENZENLOS!?

1. Das Gleichnis vom Schalksknecht (Bibeltext)

   Matthäus 18,21-35 (Luther-Übers.1984)

21. Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal?
22. Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.
23. Darum gleicht das Himmelreich einem König, der mit seinen Knechten abrechnen woll­te.
24. Und als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig.
25. Da er’s nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kin­der und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen.
26. Da fiel ihm der Knecht zu Füßen und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s alles bezahlen.
27. Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei, und die Schuld erließ er ihm auch.
28. Da ging dieser Knecht hinaus und traf einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Silbergroschen schuldig; und er packte und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du mir schuldig bist!
29. Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s bezahlen.
30. Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war.
31. Als aber seine Mitknechte das sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten bei ihrem Herrn alles vor, was sich begeben hatte.
32. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast;
33. hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe?
34. Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war.
35. So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.

Dieses Gleichnis ist aus meiner Sicht eines der schwierigsten Gleichnisse überhaupt. Möge Gott Gnade schenken, es richtig auszulegen!

2. Eine außergewöhnliche Geschichte mit rigorosem Ausgang?

Es ist ein äußerst merkwürdiges Gleichnis, das Jesus hier erzählt. Er sprengt damit alle Vorstellungen, die wir von Gott haben. Ein Ausleger sagte nicht zu Unrecht: Es ist ein krasser Text! Warum?

Nun, da ist von einem Mann die Rede, der 10 000 Zentner Silber an Schulden angehäuft hat. Das sind 12 Milliarden Euro – wir werden diese Schuldenhöhe noch rechnerisch ermit­teln. Dafür müsste er 400 000 Jahre arbeiten, bis die Schuld beglichen wäre. Man fragt sich gleich: Wie ist es überhaupt möglich, dass eine Einzelperson zu solch einem immensen Schuldenberg kommen kann? Nun bittet der Schuldner um Aufschub, obwohl er weiß, nie und nimmer kann er diese Schuld abtragen. Aber der König ist so großzügig, dass er ihm kurzerhand die gigantische Summe von 12 Milliarden € erlässt. Was mag das für ein König sein, der so verschwenderisch mit dem Geld umgeht?

Gerade eben von seiner Schuld befreit, trifft der Knecht auf einen Mitknecht. Dieser schul­det ihm nur 100 Denare (das sind umgerechnet 9600 €) – das ist nur ein 125 000-stel (= 0,000 008) oder ein Tausendstel Prozent von dem, was ihm selbst erlassen wurde. Da er das Geld nicht aufbringen kann, lässt er den Mitknecht sogleich mitleidlos ins Gefängnis werfen.

Jeder, der diese Geschichte hört, ist entsetzt. Die Mitknechte, die das sahen, sind nicht nur wütend, sondern traurig und zutiefst betroffen. Wie kann einer sich nur so verhalten? Echt krass!

Aber das schlimmste kommt noch: Der König stellt den Knecht zur Rede und nimmt seine soeben gewährte Vergebung wieder zurück.

Jetzt kommt noch der Hammer: So wie der unbarmherzige Knecht seinen Mitknecht ins Gefängnis warf, tut es jetzt der zuvor so barmherzige König auch. Ja, er setzt sogar noch einen drauf, denn er überlässt den Knecht den Folterknechten.

Was ist die Botschaft dieses Gleichnisses für uns? Es fordert uns mächtig heraus!

3. Hauptthema der Gleichnisse

Thematisch geht es bei den Gleichnissen Jesu um Aspekte der Ewigkeit, die jedoch durch­weg mit völlig alltäglichen Situationen erklärt werden. Es geht zentral um den Ort der ewi­gen Errettung oder auch um den ewigen Ort der Verlorenheit. Zur Debatte steht vorder­gründig der Himmel, aber der alternative Ort der Verlorenheit, die Hölle, bleibt nicht ausge­klammert. In den Evangelien ist immer wieder vom Reich Gottes die Rede – bei Matthäus heißt es meistens „das Himmelreich“. Der einleitende Satz ist fast immer gleich:

Das Himmelreich ist gleich ...

  • einem Sauerteig, den eine Frau nahm
  • einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte
  • einem Schatz, verborgen im Acker
  • einem Netz, das ins Meer geworfen ist.

In Matthäus 13,10-12 sagt uns der Herr Grundlegendes zu den Gleichnissen:

„Und die Jünger traten zu ihm und sprachen: Warum redest du zu ihnen in Gleichnis­sen? Er antwortete und sprach: Euch ist's gegeben, dass ihr die Geheimnisse des Himmelreiches versteht.“

Die Gleichnisse reden also stets vom Himmelreich: Drei Fragen werden dabei beant­wortet:

  • Was ist das Wesen des Himmels?
  • Wie komme ich in den Himmel?
  • Wer kommt in den Himmel und wer nicht?

Es ist klar, dass Jesus der einzige Weg zum Himmel ist, denn er sagte, dass ohne ihn nie­mand zum Vater kommen könne. Aber Jesus sagte auch: „Ringet danach!“ (Lk 13,24). Wie dieses Ringen geschieht, das sagen uns die Gleichnisse. An einigen Beispielen wollen wir uns einzelne Aspekte anschauen:

a) Gleichnis vom Schatz im Acker: Das Reich Gottes ist verborgen. Es liegt nicht auf der Straße. Aber wenn ich darauf stoße – wenn es mir verkündigt wird, dann habe ich zuzugrei­fen.

Aspekt: Heute, so ihr seine Stimme höret, ergreift das ewige Leben (Hebr 4,7; 1 Tim 6,12).

b) Gleichnis vom Kaufmann und der Perle: Das Reich Gottes ist das Kostbarste, was es gibt – symbolisiert durch die kostbare Perle. Man muss sie suchen.

Aspekt: Das Himmelreich finden die Suchenden.

c) Gleichnis vom verlorenen Sohn: Das Reich Gottes ist das Vaterhaus. Der Himmel ist, wo Gott der Vater ist. Der verlorene Sohn musste sich aufmachen; er musste sich für den Heimweg entscheiden.

Aspekt: Ins Himmelreich gelangen nur die Heimkehrer, die sich bewusst auf den Weg Got­tes begeben. Wer nicht kommt, bleibt verloren.

d) Gleichnis von den anvertrauten Pfunden: Das Wesen des Reiches Gottes ist Herr­schaft. Dort sind wir zum Königtum berufen.

Aspekt: Den Himmel erreicht nur, wer mit anvertrauten Pfunden gewuchert hat. Konse­quenz: Die Faulen gehen verloren!

Nachfolgend werden wir uns nun mit dem Aspekt des Himmelreiches befassen, der in dem Gleichnis von dem Schalksknecht verborgen ist.

4. Hintergrundinformationen zu dem Gleichnis

Zum Verständnis des Gleichnisses müssen wir zunächst einige Begriffe erklären:

Erster Begriff: „Darum gleicht das Himmelreich einem König“ (Vers 23).

Wer ist dieser König? Es könnte Gott der Vater sein oder auch Jesus, denn beide werden in der Bibel als König bezeichnet, und beide haben einen Thron im Himmel:

1. Timotheus 1,17 nennt Gott, den Vater, als König:

„Aber Gott, dem ewigen König, … sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.“

Aber auch Jesus ist König, wie es zahlreiche Bibelstellen belegen:

In der Geburtsankündigung Jesu durch den Engel Gabriel heißt es in Lukas 1,32-33:

„Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“

Vor Pilatus bezeugt Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Als Pilatus ihn daraufhin befragt: „So bist du dennoch ein König?“, antwortet Jesus: „Du sagst es, ich bin ein König“ (Joh 18,37).

In Offenbarung 19,16 wird von Jesus gesagt, dass auf seinem Gewand geschrieben steht: König aller Könige und Herr aller Herren.“

Aber vor welchem König müssen wir uns einmal verantworten? Das wird uns in Apostelge­schichte 17,31 offenbart:

„Denn er (= Gott) hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerech­tigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben an­geboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.“

Der Richter ist somit derjenige, den Gott von den Toten auferweckt hat, und das ist Jesus.

Noch deutlicher steht es in 2. Korinther 5,10:

„Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“

Zweiter Begriff: Knecht

Nach dem Neuen Testament ist ein Knecht ein Diener. Entweder dienen wir der Sünde – wie es in Johannes 8,34 steht: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“ oder aber wir dienen Gott und dem Herrn Jesus.

Paulus bezeichnet sich in Römer 1,1 als ein Knecht Jesu Christi“.

In Offenbarung 22,3 lesen wir:

„Und der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt sein, und seine Knechte werden ihm dienen.“

Halten wir fest: Der genannte Knecht im Gleichnis ist kein Gottloser, sondern ein Christ. Es ist noch offen, ob er ein Namenschrist oder ein wiedergeborener Christ ist.

Dritter Begriff: Schuld

Mit der Schuld in diesem Gleichnis ist die Schuld – die Sünde – gemeint, die ein Mensch vor Gott hat, aber auch wie andere Menschen an uns schuldig werden

5. Die Schuldenhöhen

Im Gleichnis werden zwei Schuldbeträge genannt, die aber so auffallend unterschiedlich sind, dass wir sie genauer betrachten müssen:

Schulden des Knechtes bei Gott (nach Luther-Übers.): 10 000 Zentner Silber

Schulden des Mitknechtes (nach Luther-Übers.): 100 Silbergroschen

Nach dem griechischen Neuen Testament betragen

–      die Schulden des Knechtes bei Gott 10 000 Talente

–      und die Schulden des Mitknechtes 100 Denare.

Zunächst ermitteln wir die Schuldenhöhen aus unserer heutigen Sicht.

A) Rechnung mit Gold:

Ein Talent ist eine Gewichtseinheit, und das sind (nach Elberfelder Bibel 2006) 34 kg.

Heutiger Goldpreis laut Internet (Februar 2015) = 36,47 €/g = 36 500 €/kg

Gesamtwert der 10 000 Talente = 10 000 x 34 kg x 36 500 €/kg = 12,4 Milliarden €.

Ein Denar ist eine Münzeinheit, und darum sind Talente nicht direkt in Denare umrechen­bar. Wir können nur einen Wertevergleich vornehmen. Zurzeit Jesu betrug der Tageslohn eines Tagelöhners und auch der Sold eines römischen Soldaten ein Denar.

Setzen wir einen heutigen Stundenlohn von 12 €/h an, dann ergibt das einen Tageslohn von 8 x 12 = 96 €.

Somit entsprechen 100 Denare = 100 Tageslöhne oder 100 x 96 = 9 600 €.

Die Schuld des Knechtes bei dem König betrug demnach:

12,4 Milliarden € / (96 €/Tageslohn) = 130 Millionen Tageslöhne

130 Millionen Tageslöhne / (320 Arbeitstage/Jahr) = 400 000 Jahreslöhne

Das kann niemand abarbeiten!

Verhältnis:              400 000 Jahreslöhne : 100 Tageslöhne

oder                       130 000 000 Tageslöhne : 100 Tageslöhne

oder                       1,3 Millionen : 1

Der Knecht hatte also eine unvergleichlich höhere Schuld bei dem König als der Mitknecht bei ihm. Der Faktor liegt nach unserer Rechnung bei 1,3 Millionen!

B) Wir können die Schuldenhöhen auch aus damaliger Sicht betrachten:

http://www.cosmiq.de/qa/show/2536461/Wieviel-Wert-war-ein-Talent-Waehrung-zur-Zeit-Julius-Caesars/

Ein typisches Segelschiff zurzeit des römischen Kaisers Julius Cäsar kostete 1 Talent oder 34 kg Gold.

10 000 Talente entsprachen also dem Wert einer Flotte von 10 000 Segelschiffen.

Die als sehr groß geltende Flotte der Spanier, die Armada, verfügte über 133 Segelschiffe. Der spanische König Philipp II. zog 1588 mit der Armada gegen England, aber seine See­schlacht ging verloren.

Vergleicht man den Gegenwert von 10 000 Talenten mit Segelschiffen, dann wäre das eine Flotte, die 75-mal so groß wäre wie die spanische Armada. Das ist die Schuld des Knech­tes, die er bei dem König hat. Sie ist gigantisch groß. Eine Umrechnung in heutige Euros haben wir bereits durchgeführt. Betrachtet man die Schuldenhöhe in damaliger Zeit, so dürfte sie wohl noch größer sein als 12 Milliarden Euro.

Wie kommt es, dass Jesus die Schuld des Knechtes vor Gott so außergewöhnlich hoch ansetzt? Die Antwort finden wir in der Bergpredigt. Dort sagt Jesus in Matthäus 5,22:

„Wer mit seinem Bruder zürnt … und sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.“

Das ist für uns schwer nachvollziehbar. Aber Jesus führt uns damit vor Augen: In unserm Leben steigt die Schuldenlast vor Gott so unermesslich hoch an, dass niemand in der Lage ist, sie zu begleichen. Die Sünde wiegt vor Gott so schwer, dass sie uns unweigerlich in die Hölle reißt – und das vermag schon eine einzige Sünde.

6. Was ist die Voraussetzung für den Zugang zum Himmel?

In Offenbarung 21,27 heißt es: „Und nichts Unreines wird hineinkommen.“

Damit ist gesagt:

Gott lässt keine einzige Sünde in seinen Himmel hinein!

Nach einem Vortrag kam ein junger Mann auf mich zu. Er hatte sich auf einem Zettel 5 Fra­gen notiert, auf die er eine Antwort suchte. Vier davon habe ich längst vergessen; aber eine ist mir wegen der grundlegenden Bedeutung in Erinnerung geblieben. Er fragte:

„Sie haben gesagt: Gott ist ein Gott der Liebe und weiterhin ist er allmächtig. So kann er doch die Tore zum Himmel weit öffnen und jedermann in den Himmel hineinlassen. Was soll der ganze Aufwand mit dem Kreuz Jesu und all dem Blutvergießen?“

Wir leben hier auf einer Erde mit sehr viel Not und Elend. Es gab zwei Weltkriege mit Millio­nen und Abermillionen von Toten. Ja, die Menschheitsgeschichte lässt sich als eine Ge­schichte von Kriegen, von Leid und Tod und Elend beschreiben. Was ist die tiefe Ursache für alles? Am Anfang der Weltgeschichte gab es den Sündenfall, und in der Welt, in der wir leben, beobachten wir all seine Folgen. Von nur einer einzigen Sünde ging alles aus. Die Sünde hat eine eskalierende Wirkung und hat die einst sehr gute Schöpfung kaputt ge­macht.

So stellte ich ihm die Frage: „Was passiert, wenn Gott uns – so wie wir sind mit all unserer Sünde – in den Himmel lässt?“

Sehr schnell fand er selbst die Antwort: „Dann ist der Himmel bald dahin, und Leid und Tod halten auch dort Einzug.“

Genau das ist es! Da wir alle gesündigt haben, muss die Sünde von uns entfernt werden, um in den Himmel eingehen zu können. Da wir zahlungsunfähig sind, können wir nur dann in den Himmel kommen, wenn jede Sünde bezahlt wird, und das hat Jesus für uns am Kreuz getan. Wer von ihm Vergebung erbittet, erhält sie. Und nur wem vergeben ist, dem öffnen sich die Tore zum Himmel. Wer mit unvergebener Schuld stirbt, geht ewig verloren.

7. Wie viel Vergebung ist bei Gott möglich?

Nach einem Vortrag (im Erzgebirge) meldete sich in der Diskussion eine Frau mit der Fra­ge: „Kann einem Menschen vergeben werden, der 1000 andere umgebracht hat?“ Schon der Ton ihrer Stimme machte mir klar, es war eine Fangfrage.

So fragte ich zurück: „Was würden Sie aus Ihrer Sicht sagen, wo sollte die Grenze der Ver­gebung gesetzt werden? Soll sie bei einem Getöteten liegen, bei 3, bei 50, bei 100 oder wo sonst? Sie gab daraufhin keine Antwort. Und so fuhr ich fort:

„Jesus hat ja deutlich gesagt: „Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen“ (Mt 9,13). Und ein Mörder ist zweifelsfrei ein Sünder. Er hat bezüglich seiner Vergebungskraft keine Grenze markiert. So kann auch jemandem vergeben werden, wenn er 1000 umgebracht hat und dies von Herzen bereut und Jesus um Vergebung bittet.“

Über diese Antwort war die Frau entsetzt und fügte hinzu: „Dann möchte ich nicht im Him­mel sein, wenn da solche Leute sind!“

„Ja, das kann man heute schon sagen: Im Himmel werden nur Sünder sein, und zwar ganz besondere – nämlich begnadigte Sünder. Wenn dem nicht so wäre, hätten Sie und ich kei­ne Chance, dorthin zu kommen. Unsere Zugehörigkeit zu Jesus und die Abgabe unserer Schuld unter seinem Kreuz machen alle, die an ihn glauben, frei von aller Sünde.

Wenn Sie nicht in den Himmel wollen, dann müssen Sie die einzige Alternative kennen, und das ist die Hölle. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Dort sind all die Mörder der Welt­geschichte, die nicht nur 1000, sondern Millionen Menschen auf ihrem Gewissen haben und keine Vergebung gesucht haben. In der Hölle sind aber weiterhin auch all jene, die nicht einen einzigen umgebracht haben, aber sich ebenfalls nie bekehrt haben. Entschei­den Sie richtig, damit Sie nicht an einen Ort kommen, an dem Sie ewig jammern, weil Sie zu irdischer Lebzeit eine falsche Entscheidung trafen!“

Gott sagt uns in seinem Wort in Jesaja 1,18:

„Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie rot ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden.“

Hieran wird deutlich, die göttliche Vergebungskraft kennt keine Grenze.

A) Ich nenne uns dazu ein Beispiel aus der Bibel:

In Israel regierte einst der König Manasse; er war der Sohn Hiskias. Manasse kann als einer der größten Sünder in Israel angesehen werden. Davon lesen wir im 2. Buch Könige, Kapitel 21:

  • Er richtete dem Götzen Baal Altäre auf und machte ein Bild der Aschera, das ange­betet wurde.
  • Er ließ seinen Sohn durchs Feuer gehen und hielt sich an Geisterbeschwörer.
  • Manasse verführte das Volk, so dass sie es mit der Sünde noch schlimmer trieben als die Heiden.
  • Manasse vergoss so viel unschuldiges Blut, „bis Jerusalem ganz voll davon war“.

Manasse wurde nach Babel entführt. Dort tat er Buße und dort bat er um Vergebung all seiner großen Schuld (Apokryphes Buch „Das Gebet Manasses“):

9. „Ich habe gesündigt, und meine Sünden sind zahlreicher als der Sand am Meer, und ich gehe gekrümmt in schweren, eisernen Banden und finde keine Ruhe, weil ich deinen Zorn erweckt und viel Böses vor dir damit getan habe.

10. Nun aber beuge ich die Knie meines Herzens und bitte dich, Herr, um Gnade.

13. Ich bitte und flehe: Vergib mir, Herr, vergib mir!

Und ihm wurde vergeben!

B) Der bekannte amerikanische Evangelist Dwight L. Moody (1837-1899) versuchte einmal seinen Zuhörern die unvorstellbare Weite der Vergebungsbereitschaft Jesu anschaulich zu erklären. Dazu verwendete er ein fiktives Zwiegespräch zwischen Jesus und Petrus:

Petrus fragt: „Ist es wirklich deine Meinung, Herr, dass wir das Evangelium allen Menschen predigen sollen? Auch jenen Sündern, die dich gemartert haben?“

„Ja Petrus, bietet denen das Evangelium zuerst an.

Macht euch auf die Suche nach jenem Mann, der mir ins Gesicht gespuckt hat. Sagt ihm, dass ich ihm vergebe.

Sucht den Mann, der mir die Dornenkrone auf die Stirn gedrückt hat. Sagt ihm, dass ich in meinem Reich eine Krone für ihn bereithalte, wenn er das Heil annehmen will.

Sucht den Mann, der mir das Rohr aus der Hand nahm und mich damit geschlagen hat. Ich will ihm ein Zepter geben, und er soll mit mir auf meinem Thron sitzen.

Sucht den Mann, der mir mit der Hand ins Gesicht geschlagen hat. Sagt ihm, dass mein Blut rein macht von allen Sünden und dass es auch für ihn vergossen wurde.

Sucht den Soldaten, der mir den Speer in die Seite stieß. Sagt ihm, dass es einen nähe­ren Weg zu meinem Herzen gibt als diesen.“

C) Nun will ich ein Beispiel nennen, bei dem wir sicherlich den Atem anhalten:

Es geht um Hans Frank (1900-1946):

Er war 1923 an dem Hitlerputsch in München beteiligt und bei dem Marsch zur Feldherrn­halle erwies er sich als treuer Gefolgsmann Adolf Hitlers.

Im Oktober 1939 – also kurz nach der Niederwerfung Polens zu Beginn des Zweiten Welt­krieges war er der oberste Leiter des Teiles von dem besetzten Polen, das nicht dem Deut­schen Reich einverleibt worden war. Diesen Teil nannte man Generalgouvernement, und Frank war der Generalgouverneur dieses Gebietes.

Frank stand für den Dünkel des deutschen Herrenmenschen und vertrat einen gnadenlosen Antisemitismus.

Er lebte so verschwenderisch auf der gotischen Burg Krakau in Südpolen, dass Göring ihn verächtlich als „König Stanislaus“ titulierte. Er zeichnete verantwortlich

  • für die Ermordung der polnischen Führungsschicht
  • für die totale Ausplünderung des Landes
  • für die Deportation von rund einer Million polnischer Zwangsarbeiter in die deutschen Rüstungsfabriken
  • und für ein Programm, das den Mord an 3 Millionen Juden zur Folge hatte.

Die Polen nannten ihn den „Schlächter der Polen“.

Bezüglich seiner Taten hatte er eine akribische Buchführung. Seine sogenannten „Dienst­tagebücher“ umfassten 11 367 Seiten. Bei den Nürnberger Prozessen übergab er den Richtern freiwillig diese Bücher. Er wurde zum Tode verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

Dieser grausame Mann erlebte im Nürnberger Gefängnis eine Bekehrung zu Jesus.

Er bezeichnete den Nürnberger Prozess als

„ein gottgewolltes Weltgericht, das bestimmt ist, die schreckliche Leidenszeit unter Adolf Hitler zu untersuchen und zu beenden.“

Und er bezeugte:

„Wir haben dem wahren Kreuz den Rücken gekehrt und sind dem zerbrochenen Kreuz, dem Hakenkreuz, gefolgt.“

Frank akzeptierte sein Todesurteil mit den Worten:

„Ich verdiene und erwarte es.“

Kurz vor seiner Hinrichtung bedankte er sich für die geistliche Fürsorge während der Ge­fangenschaft und bat Gott, ihn „gnädig zu empfangen“.

Diese Beispiele lassen uns demütig werden vor der Gnade der Vergebung durch den Herrn Jesus.

8. Zurück zum Gleichnis

In dem Gleichnis, das wir betrachten, erfahren wir etwas von der unvorstellbar großen Barmherzigkeit Gottes.

Die gigantische Schuld des Knechtes in diesem Gleichnis will uns lehren, dass wir mit jeder auch noch so großen Schuld zu unserem König Jesus kommen können. Er wird uns verge­ben!

Zunächst wird dem Knecht gesagt, er solle alles, was er hat, verkaufen – ja sogar seine Frau und Kinder soll er zum Sklavenmarkt bringen, um die Schuld zu begleichen.

Er fällt auf die Knie und bittet um Geduld – also Aufschub. Aber der Herr weiß, nie und nimmer kann er seine Schuld begleichen. Wir hatten 400 000 Jahreslöhne errechnet. Er bleibt zahlungsunfähig.

Das ist auch unsere Situation vor Gott. Unsere Sünde vor Gott ist so groß, dass wir sie nie und nimmer begleichen könnten, selbst wenn wir es noch so sehr wollten. Luther versuchte es mit Kasteiungen (z. B. Entzug von Nahrung, selbst zugefügte Schmerzen). Aber alles, was wir haben und auch tun, reicht nicht. Wir sind und bleiben Bankrotteure.

Nun setzt das Erbarmen Gottes ein. Er erlässt dem Knecht alle Schuld. Er ist frei! Er könnte jetzt hinausgehen und vor Freude die ganze Welt umarmen. Er könnte seine Mit­knechte zu einem Jubelfest einladen und drei Tage lang mit ihnen feiern. Aber es geschieht etwas völlig anderes.

Er geht auch hinaus. Unmittelbar nach der erfahrenen großen Gnade, die ihm widerfahren ist, trifft er einen Mitknecht – übertragen einen Christen –, der ihm 100 Tagelöhne schuldet. Gemessen an der Schuld, die ihm soeben vergeben wurde, ist das eine Lapalie – wir hat­ten es rechnerisch ermittelt und kamen auf ein Tausendstel Prozent jener Schuld, die ihm erlassen wurde!

Dass der Mitknecht mit denselben Worten fleht, wie es der Schalksknecht vor dem König tat, ist kein Zufall. Er fällt auch vor ihm nieder und bittet um Geduld.

Wie kann der Knecht, der doch noch unter dem unmittelbaren Eindruck des unverhofften Schuldenerlasses stehen müsste, seinem Mitknecht den Erlass einer vergleichsweise ge­ringen Schuld verweigern? Der Schalksknecht verhält sich gnadenlos und unbarmherzig. Er erlässt ihm gar nichts – noch nicht einmal einen einzigen Denar! Kaltherzig lässt er ihn ins Gefängnis werfen. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Schuldhaft. Es oblag nun der Familie des Verhafteten, das geschuldete Geld irgendwie aufzubringen, um so den An­gehörigen auszulösen.

Die Mitknechte beobachten das Verhalten des Knechtes und sind – genau wie wir auch – erschüttert und berichten es dem Herrn. Der lässt ihn zu sich kommen und indem er ihn mit den Worten „Du böser Knecht“ anspricht, ist das Urteil schon gefallen:

„Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe?“

Der Schalksknecht weiß darauf nichts zu antworten. Er wird nun seinerseits in Schuldhaft genommen und den Folterern übergeben. Angesichts der immensen finanziellen Schuld wird nun klar, dass er niemals aus dieser schrecklichen Situation ausgelöst werden kann.

In der Bergpredigt hat Jesus gelehrt:

„Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Ge­setz und die Propheten“ (Mt 7,12).

Aber danach handelt der Knecht überhaupt nicht.

Was nun geschieht, ist äußerst tragisch. Der König macht den eingangs gewährten Schul­denerlass rückgängig und übergibt den Knecht den Folterknechten.

Das ist auch krass!

Den Vers 34 lesen wir einmal in verschiedenen Übersetzungen, um ja richtig zu verstehen, was hier passiert:

Luther 1984:

„Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hät­te, was er ihm schuldig war.“

Jerusalemer Bibel:

„Und voll Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm die ganze Schuld be­zahlt hätte.“

Elberfelder 1975:

„Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war.“

Das jüdische Neue Testament (David H. Stern):

„Und im Zorn übergab sein Herr ihn den Gefängnisaufsehern zur Bestrafung, bis er alles, was er schuldete, zurückzahlte.“

Hoffnung für alle:

„Zornig übergab er ihn den Folterknechten. Sie sollten ihn erst dann wieder freilassen, wenn er alle seine Schulden zurückgezahlt hätte.“

Konkordante Übersetzung:

„Und sein Herr, da er zürnt, überliefert ihn den Folterknechten, bis dass er die gesamte Schuld ihm bezahle.“

Menge:

„Und sein Herr ward zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis dass er bezahlte al­les, was er ihm schuldig war.“

Alle Übersetzungen sagen übereinstimmend aus, dass der Knecht solange im Gefängnis gefoltert wird, bis er alles bezahlt hat. Daraus ersehen wir, die soeben vom König erhaltene Vergebung ist rückgängig gemacht worden.

So stehen wir vor einer schwerwiegenden Frage:

„Kann Gott, der den Menschen alle Sünden vergeben hat, diese Gnadentat wieder zurücknehmen?[1]

Das ist eine ganz grundsätzliche Frage. Hieran kann man Anstoß nehmen.

Aber im Gleichnis wird es uns ganz eindeutig so gesagt. Das passt gar nicht in unsere gän­gige Gottesvorstellung hinein. Aber Jesus hat ja die Gleichnisse erzählt, damit wir Neues erfahren – über Gott, aber auch über uns selbst.

Luther sagte einmal:

„Wenn wir uns die Vergebung nicht verdienen können, können wir sie auch nicht verwirken.“

Aber zu dem jetzt betrachteten Gleichnis sagte Luther auch:

„Wenn einer die empfangene Gnade missbraucht …, dann geht’s in die ewige Verdammnis.“

Damit stehen wir vor der schwerwiegenden Frage: Kann ein Knecht Jesu, also ein Gläubi­ger, wieder verloren gehen oder nicht? In dieser Frage waren sich sogar große Gottes­männer nicht einig. Der englische Erweckungsprediger John Wesley (1703-1791) war der Meinung, dass auch ein Gläubiger verloren gehen kann, wenn er sich vom Glauben absagt. Der englische Erweckungsprediger Spurgeon (1834-1892) hingegen meinte „einmal geret­tet – für immer gerettet“.

Wir wollen beides betrachten:

1.) Heilsgewissheit: Viele Stellen der Bibel vermitteln eine unverbrüchliche Heilsgewiss­heit, über die wir uns nur zutiefst freuen können. Für Menschen, die eine echte Bekehrung erlebt haben und wiedergeboren sind, gilt:

Johannes 10,27-28:

„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Römer 8,38-39:

„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewal­ten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“

1. Johannes 5,13:

„Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“

2) Das Gleichnis: Was ist das für ein Knecht in unserem Gleichnis? Ist er ein wiedergebo­rener Christ? Mit Sicherheit nicht, denn sein Leben zeigt keine Frucht. Und Jesus sagt: „An den Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Mt 7,16). Jesus unterscheidet zwischen guten und faulen Bäumen. Seine Frucht war Unbarmherzigkeit, und das ist die Frucht eines faulen Baumes.

Wir kennen Gott als den, der immer Wort hält, dennoch gibt es auch das bei Gott:

1. Mose 6,6: „da gereute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte.“

Gott hatte Jona beauftragt, nach Ninive zu gehen und ihnen das Gericht zu predigen: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen“ (Jona 3,4).

In Jona 3,10 sehen wir, wie Gott sein Vorhaben geändert hat:

„Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.“

Gott hält gewiss seine Zusagen ein, aber er ist souverän und hält nicht stur an seinem Vor­haben fest. Diese Eigenschaft Gottes ist uns ungewöhnlich, aber im Gleichnis von der bit­tenden Witwe und dem Richter (Lukas 18,1-8) zeigt uns Jesus sehr anschaulich, wie Gott sich umstimmen lässt.

Kann es sein, dass Gott hier sagt: „Es gereut mich, dass ich dem Knecht vergeben habe“? Das wird im Gleichnis nicht explizit gesagt, aber Gott verhält sich so. Alle seine frühere Schuld ist wieder da, und nun muss er selbst dafür aufkommen.

9. Was will uns Gott mit diesem Gleichnis sagen?

In das Himmelreich gelangen wir nur ohne Sünde. Es gibt nur eine Stelle, wo wir die Sünde loswerden können, und das ist unter dem Kreuz Jesu. Dort wurde die Sünde gerichtet. Und darum können wir zu Jesus kommen und ihn um Vergebung bitten – so wie es in 1. Johannes 1,9 beschrieben ist:

„Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sün­den vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“

Wir hatten bereits festgestellt, dass die göttliche Vergebungskraft grenzenlos ist. Gott hat keine Obergrenze für die Sünde festgelegt. Es gibt keine Marke, über die hinaus die Ver­gebung nicht mehr greift. Etwa so: wäre es noch eine Sünde mehr, dann kommen wir an das Limit, und die Vergebung könnte nicht mehr wirksam werden.

Und doch gibt es eine Grenze. Es ist jene Grenze, die wir uns selbst zuzuschreiben haben:

Wenn wir selbst nicht bereit sind, dem andern zu vergeben, dann verlieren wir dadurch unseren Freispruch.

Vergebung kann gecancelt werden! Vergebung kann aufgehoben werden! Das ist die klare Lehre aus dem Gleichnis.

Und das lehrt uns Jesus auch in der Bergpredigt (Matthäus 6,14-15):

„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.

Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Im Vaterunser beten wir (Matthäus 6,12):

„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“

Wir hatten bereits die Frage angesprochen, ob ein Christ wieder verlorengehen kann? Die biblischen Aussagen zur Heilsgewissheit sagen NEIN, denn ein wiedergeborener Christ wird sich nicht so verhalten, wie der Knecht im Gleichnis!

Dieses Gleichnis aber führt uns einen Fall vor, bei dem ein Knecht doch verloren gehen kann. Wie ist das möglich?

Die Logik ist doch sehr einfach: Wenn wir dem andern nicht vergeben, bleiben wir daraufhin auf unserer eigenen Schuld sitzen. Mit unvergebener Schuld aber ist uns das Himmelreich verschlossen. Dann bleibt uns nur noch die andere Alternative übrig, und das ist die Verlo­renheit in der Hölle.

Im Gleichnis wird das so ausgedrückt: „Und sein Herr … überantwortete ihn den Peinigern“ (Vers 34). Das ist ein Hinweis auf die Verlorenheit.

Auch in Matthäus 7,21 sagt Jesus, dass nicht alle, die sich als gläubig ansehen, das Him­melreich sehen werden:

„Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“

VERGEBUNG ERHÄLT NUR; WER SELBST AUCH VERGIBT!

Dieser Knecht im Gleichnis kann zu denen gerechnet werden, die zwar „Herr, Herr“ gerufen haben, aber durch ihre Unbarmherzigkeit in krassem Gegensatz zum Willen Gottes lebten.

Das Gleichnis endet mit Vers 35, wo es heißt:

„So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.“

Am Ende der Predigt wollen wir zwei Dinge unseres Lebens prüfen:

  1. Wenn du noch nie bei dem König Jesus warst, um alle Schuld des Lebens abzula­den, dann lass dich jetzt einladen und komme zu Ihm. Er ist bereit, dir jede Sünde zu vergeben. Wenn du schuldenfrei geworden bist und den König in dein Herz aufge­nommen hast, bist Du Eigentümer des Himmels geworden. Dann gehe hin und vergib auch Deinen Schuldnern.
  2. Wenn du sagst, ich bin Christ, aber ich vergebe dem andern nicht, dann lebst du sehr gefährlich. Vergib deinen Schuldigern, dass es Dir nicht so ergeht wie dem Knecht im Gleichnis.

Der Herr segne uns! Amen.


[1] II [Evangelien-Auslegung] 628; Predigt von 1524.